Gehbehinderung: Weitere Hilfs­mittel

Inhalts­ver­zeichnis:

Die folgenden Inhalte spiegeln lediglich persön­liche Erfah­rungen und Meinungen wieder. Es handelt sich hierbei ausdrücklich um keine medizi­nische oder fachliche Beratung.

Adaptiv­geräte und Spezialräder

Unter Adaptiv­geräte haben wir alles zusam­men­ge­fasst, was man zur Fahrun­ter­stützung an den Rollstuhl ankoppeln kann. Hierzu zählen Hilfs­mittel wie Handbikes, Rollstuhl­zug­geräte oder Zusatz­an­triebe für den Rollstuhl. Beispiele für Spezi­al­räder sind Tandems, Drei- und Liegeräder.

Dieje­nigen, die sich neu mit Adaptiv­ge­räten für den Rollstuhl bzw. Spezi­al­rädern befassen, finden im Magazin Mobitipp – Spezi­al­fahr­räder, Handbikes, Rollstuhl­zug­geräte und -zusatz­an­triebe einen guten Einstieg in die Thematik. Das Magazin wird rund alle zwei Jahre aktua­li­siert und neu aufgelegt.

Eine umfang­reiche Beratung ist vor dem Kauf eines Adaptiv­geräts oder Spezi­alrads extrem wichtig, da der Markt hinsichtlich der verschie­denen Mobili­täts­lö­sungen und Hersteller sehr groß ist. Erster Ansprech­partner ist hier natürlich das Sanitätshaus. Aller­dings schadet es auch nicht sich vorab selbst einen ersten Überblick z.B. auf einer der großen Reha-Messen zu verschaffen.

Gebrauchte Adaptiv­geräte und Spezi­al­räder findet man nicht nur auf dem Handicap-Bazar und auf der Hilfs­mit­tel­börse, sondern auch auf eBay und eBay Klein­an­zeigen. Aller­dings sollten gerade Einsteiger der Versu­chung des Online­kaufs eines gebrauchten Geräts wider­stehen, da es ohne ausrei­chende Vorkennt­nisse oder einen sachkun­digen Berater meist schwierig ist ein Angebot quali­tativ korrekt einzuschätzen.

Nützliche Links:

  • Handbike Beratung: Die private Webseite befasst sich intensiv mit dem Thema Handbike. Dabei liegt der Schwer­punkt auf sog. Festrahmen-Handbikes (im Gegensatz zu Vorspann-Handbikes). Besonders inter­essant für Einsteiger ist die Rubrik „Finde dein Handbike“.
  • Handbike Sport: Die Webseite richtet sich an alle, die ihr Handbike als Sport­gerät und nicht als reines Mobili­täts­hilfs­mittel für den Alltag nutzen. Man findet hier neben aktuellen Infor­ma­tionen und Terminen aus dem Handbike­sport auch Tipps zum Trainings­aufbau (u.a. Erstellung eines indivi­du­ellen Trainings­plans).
  • Outdoor­active: Auf der Webseite findet man unter dem Suchbe­griff „Handbike“ Touren­tipps fürs Handbike.
  • Ratgeber − Thera­pierad bei der Kranken­kasse beantragen: Der Ratgeber des Spezi­al­rad­her­stellers „Hase Bikes“ bietet wertvolle Tipps, was man im Umgang mit der Kranken­kasse bei der Beantragung eines Thera­pierads für sein Kind beachten sollte.
  • Vorsatz-Rad: Das Vorsatz-Rad wird vorne an den Rollstuhl befestigt und hebt die kleinen Lenkräder vom Boden ab. Der Rollstuhl wird so zu einem Dreirad mit einem größeren Rad vorne. Durch den größeren Raddurch­messer kann unweg­sames Gelände mit dem Rollstuhl leichter bewältigt werden. Aller­dings ist nicht jeder Rollstuhl mit einem Vorsatz-Rad kompa­tibel. Beispiele für solche Vorsatz-Räder sind das Freewheel, das Trike und der v3.

Exoskelett

Einen guten Überblick zum Thema Exoskelett bietet der folgende Artikel des Magazins PARAple­giker (Stand: Sommer 2019):

PARAple­giker: Das Wunder, das keines ist - Exoske­lette für Querschnitt­ge­lähmte in Therapie und Alltag

Quelle: PARAple­giker, Mitglie­der­ma­gazin der Förder­ge­mein­schaft der Querschnitt­ge­lähmten in Deutschland e.V. (FGQ), Ausgabe 2/2019 – Textversion 

Aus dem Rollstuhl aufstehen und wieder gehen zu können – eine absolute Sehnsuchts­vorstellung! Paradoxer­weise ist diese etwas klischee­hafte Betrach­tungs­weise bei Nicht­be­hin­derten häufiger anzutreffen als bei Betrof­fenen. Zu diesem Schluss kommt, wer die Bericht­erstattung über Exoske­lette in den Medien kritisch verfolgt.

Unbedarfte Journa­listen erliegen der Versu­chung, eine „Gelähmter-kann-wieder-laufen“-Geschichte zu schreiben. Dabei ist die Sache weit komplexer. Das weiß jeder Rollstuhlnutzer.

Verschiedene Systeme, verschiedene Ziele

Ein gewisses Niveau auf dem Gebiet der elektro­ni­schen Daten­ver­ar­beitung, leistungs­fähige, kompakte Strom­speicher und Elektro­mo­toren sowie hochfeste Bauma­te­rialien waren unabdingbare Voraus­set­zungen für die Konstruktion der ersten praxis­taug­lichen Exoske­lette. Inzwi­schen gibt es eine ganze Reihe von Anbietern, und neben den Akteuren der ersten Stunde tummeln sich unter­dessen etliche Newcomer auf dem Markt. Die strate­gi­schen Ansätze der Unter­nehmen lassen sich in verschiedene Kategorien gliedern.

Es gibt Exoske­lette, die quasi autonom laufen. Der mittels gepols­terter Aufnah­me­schalen und Klett­bändern in ihnen fixierte Proband hat die Hände frei, bedient das System per Display und/oder Joystick und vertraut darauf, dass die Maschine in allen Situa­tionen die Balance wahrt. Diese Geräte sind relativ schwer und klobig, eignen sich aber auch für die Anwendung durch höher gelähmte Nutzer.

Andere Entwickler verfolgten von Anfang an das Ziel, ihre Exoske­lette so leicht und kompakt wie möglich zu machen.  Mit fortschrei­tendem Erfolg.  Die anfangs noch in Rucksäcken verstaute Elektronik wanderte bei den meisten in eine Art Hüftgürtel, die mittels Klett­bändern an der Außen­seite von Ober- und Unter­schenkel befes­tigten Motor- oder Batte­rie­ein­heiten sind relativ kompakt.  Anders als bei den autonom gehenden Systemen ist bei diesem Typ Exoskelett der Gebrauch von Unterarmgeh­stützen unerlässlich. Die Anbieter dieser Systeme verfolgen unter­schied­liche Strategien. Während die einen ihre Produkte als reine Thera­pie­in­stru­mente für den klini­schen Einsatz verstehen, haben andere die Nutzung von Exoske­letten im privaten, häuslichen Umfeld im Blick. Eine klare Trenn­linie lässt sich nur bedingt ziehen. Die für die spätere Privat­nutzung vorge­se­henen Modelle tauchen auch im klini­schen Umfeld auf. Die künftigen „Läufer“ trainieren in der Regel ja erst mal mit profes­sio­neller Unter­stützung durch Physiotherapeuten.

Eine Sonder­stellung nimmt das in Japan entwi­ckelte System „HAL“ ein (das Kürzel steht für Hybrid Assisted Limb). Während der Bewegungs­ablauf herkömm­licher Exoske­lette compu­ter­ge­neriert ist und in der Regel durch die Gewichts­ver­la­gerung des Nutzers initiiert wird, nutzt HAL Myofeedback. Sensoren auf der Haut des Anwenders detek­tieren Impulse, die von HAL in Bewegung umgesetzt werden. Der Gedanke dahinter:  Zwar erreichen die vom Gehirn ausge­sandten Bewegungs­im­pulse die adres­sierten Muskeln wegen des geschä­digten Rücken­marks gar nicht oder nur unvoll­ständig, sie lassen sich aber auf der Haut messen, inter­pre­tieren und verstärken. HAL ist deshalb ein reines Thera­pie­gerät. Zielsetzung ist, Restfunk­tionen wieder „aufzu­trai­nieren“. Das setzt freilich voraus, dass solche Funktionen vorhanden sein müssen. Der Einsatz von HAL kommt deshalb nur in Betracht, wenn in Vorun­ter­su­chungen die Eignung des Probanden festge­stellt wird.

Laufen hat nicht erste Priorität

Die Bericht­erstattung der Medien über die mit diesen Systemen trainie­renden Probanden ist in aller Regel geprägt vom Eindruck des ersten Augen­scheins: Der vorher auf den Rollstuhl Angewiesene „läuft“. Bei allem Verständnis für den Wunsch, das vermeintlich Offen­sicht­liche als spekta­ku­lären Erfolg zu präsen­tieren, greift diese Betrach­tungs­weise zu kurz.

Richtig ist: Exoske­lette stehen für eine Entwicklung, die Gelähmten neue Perspek­tiven eröffnet, sowohl auf thera­peu­ti­schem Gebiet als auch was die praktische Nutzung im Alltag betrifft. Richtig ist aber auch: Exoske­lette sind nicht mehr als technisch hochkom­plexe Mobili­täts­hilfen. Ihre Wirkung setzt bei den Folgen der Lähmung an, nicht bei deren Ursachen und kann diese auch nicht heilen. Für poten­zielle Nutzer ist es wichtig, sich darüber im Klaren zu sein. Gehen ist weit mehr als die Fähigkeit, sich auf den eigenen Beinen von A nach B bewegen zu können. Der gesamte mensch­liche Körper ist von der Natur zur Bewegung in der Verti­kalen konzi­piert worden. Die Organe erfüllen ihre Funktion optimal, der Stehende hat einen anderen Blick­winkel als der Sitzende, das Knochen­gerüst wird seiner Funktion gerecht. Und nicht zuletzt ist der aufrechte Gang eine physi­ka­lisch hochan­spruchs­volle Angele­genheit.  Weil das so ist, zeigt der Einsatz von Exoske­letten in der Therapie bei Querschnitt­ge­lähmten Effekte, die bedeut­samer sind als der bloße elektro­me­cha­nisch durch­ge­führte aufrechte Gang. Probanden berichten von der positiven Auswirkung des Gehtrai­nings auf die Funktion von Blase und Darm. Sie empfinden das Gehen im Exoskelett als sport­liche Heraus­for­derung mit belebendem Effekt. Die Durch­blutung ihrer vom Dauer­sitzen gestressten Haut wird gefördert. Sie genießen es, der Umwelt zeitweise wieder einmal auf Augenhöhe zu begegnen. Stimmen die körper­lichen Voraus­set­zungen, spricht also vieles dafür, zeitweise aus dem Rollstuhl ins Exoskelett zu wechseln.

Nicht für jedermann geeignet

Damit für einen Querschnitt­ge­lähmten die Nutzung eines Exoske­lettes in Betracht kommt, müssen aller­dings spezielle Voraus­set­zungen gegeben sein, unabhängig davon, ob eine rein thera­peu­tische Anwendung beabsichtigt ist oder die Nutzung im privaten Umfeld. Die Hersteller machen Vorgaben in Bezug auf Körper­ge­wicht und Größe. Kontrak­turen und bestimmte Formen von Spastik können Ausschluss­kri­terien darstellen. Der Proband muss über eine hinläng­liche Knochen­sta­bi­lität verfügen. Für den Gebrauch von Unter­arm­geh­stützen muss die unein­ge­schränkte Funktion von Schultern, Armen und Händen gegeben sein. All‘ dies schränkt den Kreis der in Frage kommenden Anwender ein. Es ist also keineswegs so, dass die neue Techno­logie ganz allgemein als temporäre Alter­native zum Rollstuhl bewertet werden kann.

Und selbst wenn diese Voraus­set­zungen stimmen, sind damit nicht alle Hürden genommen. Einst­weilen ist die umständ­liche Handhabung noch eine Schwach­stelle. Nutzt man sie in der Therapie, spielt das keine entschei­dende Rolle. Gerade die für diesen Einsatz­zweck speziell konzi­pierten Geräte lassen sich relativ rasch auf unter­schied­liche Körpermaße justieren. Außerdem erfolgen das Anlegen und Ausziehen mit Assistenz. Bei der Benutzung im privaten Umfeld, als tempo­räres Substitut für den Rollstuhl, zählen andere Faktoren. Ohne Unter­stützung ist der Wechsel zwischen Rollstuhl und Exoskelett zeitauf­wendig. Auch wirken sich hier die system­be­dingten Eigen­heiten aus. Der Nutzer ist relativ langsam. Er fällt im Straßenbild auf. Anders als im Rollstuhl kann er kaum Gegen­stände trans­por­tieren. Exoske­lette sind aktuell eben noch eher reine Gehma­schinen als wirkliche Alter­na­tiven zum Rollstuhl.

Eine perspek­ti­ven­reiche Entwicklung

Dennoch oder gerade deshalb lohnt ein Blick in die Zukunft: Die techni­schen Kompo­nenten werden immer ausge­feilter. Die Entwicklung geht in Richtung immer leich­terer, schnel­lerer Assistenzsysteme.

Exoske­lette werden eine zunehmend wichtige Rolle bei der Rehabi­li­tation Querschnitt­ge­lähmter spielen. Die Entwicklung steht noch am Anfang, aber das Potenzial ist enorm. Dass reali­sieren auch die Kosten­träger in zuneh­mendem Maß. Was den klini­schen Einsatz und die Übernahme der entspre­chenden Kosten angeht, verzeichnen die Anbieter Fortschritte. Geräte in privater Nutzung sind zwar noch rar, aber der Trend geht auch hier dahin, dass Berufs­ge­nos­sen­schaften und Kranken­kassen bei entspre­chender Diagno­se­stellung und Prognose koope­rieren. Die zurzeit noch exotisch anmutenden High-Tech-Gehma­schinen sind auf dem Weg, eine feste Größe in der Behandlung der Folgen von Querschnitt­lähmung zu werden.

Autor: Werner Pohl

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